Baden online | Nina Saam
„Das doppelte Lottchen“ in der Kehler Stadthalle
Eine ungewöhnliche Inszenierung des Erich-Kästner-Romans »Das doppelte Lottchen« konnten Kinder ab acht Jahren am Dienstag in der Stadthalle erleben. Das Comedia Theater Köln hat das Stück mit verschiedenen Ebenen und einer überraschenden Klammer versehen.
Die rührselige Geschichte des doppelten Lottchens dürfte der Eltern-Generation vertraut sein: In einem Ferienheim treffen die neunjährigen Mädchen Lotte und Luise aufeinander. Die eine lebt bei der berufstätigen, alleinerziehenden Mutter in München, die andere kindermädchenbetreut beim Vater, einem berühmten Komponisten, in Wien. Schnell finden sie heraus, dass ihre frappierende Ähnlichkeit einen biologischen Ursprung hat – sie sind Zwillinge. Die Eltern hatten sich kurz nach der Geburt getrennt und je ein Kind zu sich genommen. Da beschließen die beiden Schwestern, die Rollen zu tauschen. Die unbekümmerte, lebenslustige Luise geht zur Mutter nach München, die ernste und pflichtbewusste Lotte nach Wien. Die Eltern wundern sich zunächst über die veränderten Charaktere ihrer Töchter, fangen aber jeweils an, die »andere« Seite ihres Kindes zu entdecken und darauf einzugehen. Der Schwindel fliegt auf, als die Mutter zufällig ein im Ferienlager aufgenommenes Bild der beiden in der Zeitung entdeckt. Die Geschichte endet – wie sollte es anders sein – mit einem Happy End und einer glücklich vereinten Familie.
Das Comedia Theater Köln hat unter der Regie von Frank Hörner das Stück mit modernen Elementen und Brüchen inszeniert. Vier Personen wirbeln auf der Bühne herum, alle in schwarz, alle mit der derselben blonden Perücke, drei gestandene Männer und eine Frau. Doch das Personen-Verwirrspiel setzt sich nicht nur auf der Ebene der Schauspieler fort, es handelt sich auch um ein Spiel im Spiel: Mitten im Stück gehen die Darsteller von Lotte und Luise aufeinander los, weshalb das Licht angeht und erklärt wird, dass es sich bei dieser Aufführung um ein Resozialisierungsprojekt mit Strafgefangenen handelt.
Eine Kindergeschichte um zwei Scheidungskinder war damals – 1949 – ein Novum. Heute ist es längst Normalität. Zeitlos ist allerdings die Frage, die sich die Kinder stellen: Warum? Oft fühlen sie sich mit ihrer Sehnsucht nach dem anderen Elternteil, mit ihren Gefühlen und Ängsten alleingelassen. So wird die Spannung und das Unbehagen bei der Ankunft beim jeweils anderen Elternteil nach dem Rollentausch düster, fast apokalyptisch dargestellt: Lichtstrahlen von unten, lautes, nervenzerreißendes Quietschen, Rauch, ein Stakkato von Schritten, hallende Bahnhofsdurchsagen durchs Megaphon. Das sind die Momente, wo es still wird im großen Saal der Stadthalle. Auch wenn sich die Inszenierung inhaltlich eng an die Vorlage hält, sucht man verklärenden Kitsch vergebens – schon allein dadurch, dass die Schauspieler gar nicht erst versuchen, durch Kostümierung und Aussehen die Figuren zu verkörpern, sondern die Zuschauer stets wissen lassen, dass sie sie nur spielen.
Kölner Theaterpreis
Das Ende, so vorhersehbar es ist, wird gleich zweifach auf den Kopf gestellt: Muss es denn die wiedervereinte Familie sein, wären nicht auch andere Konstellationen denkbar, Hauptsache, alle sind glücklich?, fragen die Akteure das Publikum. Und ob die allerletzte Pointe von den – überwiegend französischen – Kindern im Saal verstanden wurde, mag dahingestellt sein: Am Ende stellt sich nämlich heraus, dass die beiden Strafgefangenen, die Lotte und Luise verkörpern, ebenfalls Zwillinge sind, die nichts voneinander wissen.
Ist aber auch nicht so wichtig. Ihren Spaß hatten die kleinen Zuschauer an dem mit viel Schwung und Witz inszenierten Stück, das unlängst den Kölner Theaterpreis gewonnen hat, allemal.
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